Meine Einschätzung über die Platzierungen bei der Tischtennis WM

Wer kommt wie weit?

Wie steht es mit der aktuellen Form der WM-Spieler?

Wie sind die Chinesen drauf?

Ist mit Japan zu rechnen?

Tischtennis WM in Budapest 2019 – Let´s go

Endlich ist es soweit – das Event der Superlative startet – die Einzel-Weltmeisterschaft im Tischtennis. Es gibt eigentlich bis auf Olympia nicht ein Event, dass mehr bei den Profis zählt als Weltmeister im Einzel zu werden. Dementsprechend ist das Turnier natürlich hochkarätig besetzt.

Chinas Vorbereitung und das vermutlich mit am besten besetzte Turnier der Welt

China hat extra für die WM die legendären „Marvelous 12“ gespielt. Marvelous steht dabei für „Fantastischen“ und das wird der Turnierform voll und ganz berechtigt – die besten zwölf Herren und die besten zwölf Damen aus dem Reich der Mitte treten über vier Gewinnsätze gegeneinander an. Es gibt kein Favoriten Schonen, keine extra Würste oder sonst irgendwas – wer performt, spielt die WM. Insgesamt hat sich der Star-Coach Liu Guoliang ein extrem hartes System ausgedacht, das noch mehr von den einzelnen Spielern abverlangt. Es soll sichergestellt werden, dass weder ein Calderano, noch ein Harimoto oder auch ein Ovtcharov oder Boll die ersten Plätze bei der Tischtennis WM in Budapest oder bei Olympia 2020 in Tokyo sichern. Denn in China zählt nur ein chinesischer Sieg bei diesen Turnieren – ein zweiter und dritter Platz jetzt in Budapest wäre mit einer absoluten Katastrophe gleichzusetzen.

Das Reich des Tischtennis – China

Bei der Team-WM in Halmstad haben die Chinesen eindrucksvoll ihre Macht demonstriert – weder bei den Herren, noch bei den Damen, konnte eine andere Nation China gefährlich werden. Wenn man mehreren Chinesen gegenüber steht, ist es natürlich noch schwieriger eben jene zu ärgern – bei einer Einzel-WM könnte das anders aussehen. Das Wörtchen „könnte“ muss dabei aber besonders betont werden. Ma Long ist nach seiner Verletzung wieder zurück und „der General“ hat bei dem letzten Turnier eindeutig gezeigt, was er vorhat – wieder Weltmeister werden. Dabei hat er mit Fan Zhendong den Chinesen gelegt, der eigentlich während Ma Longs Abwesenheit geglänzt hat und die TT-Szene dominierte.

Team China bei der Tischtennis WM
Team China bei der Tischtennis WM 2018 in Halmstadt

Schlechte Aussichten für alle anderen bei der Tischtennis WM in Budapest?

Vermutlich schon, denn Ma Long scheint wirklich wieder fit zu sein und die längere Spielpause scheint ihm nicht wirklich viel ausgemacht zu haben. Allerdings gibt es Hoffnung – und das hat mit der Auslosung zu tun. Ma Long ist an 11 gesetzt. Das bedeutet, dass bereits ein Treffen zwischen Ma Long und anderen Chinesen wie Liang Jingkun und Fan Zhendong recht früh im Achtelfinale oder Viertelfinale möglich ist und nicht erst im Finale. Das wäre natürlich irgendwie ganz schön, wenn sich die Chinesen gegenseitig rauskegeln. Denn man hat dann als Zuschauer die unfassbaren Spiele schon früher und sieht dann eventuell mal andere Viertelfinale.

Dabei vergisst man fast, dass Xu Xin – die Nummer zwei der Weltrangliste – vermutlich ebenso wie Lin Gaoyuan ein Wörtchen mitzureden hat, wenn es um die Krone in Budapest geht.

Was glaubt ihr? Wer kann die Chinesen ärgern?

Aus meiner Sicht sind es vor allem zwei, die bei der Tischtennis WM hier in Budapest die Chinesen ärgern können: Hugo Calderano und Tomokazu Harimoto. Natürlich ist Jun Mizutani, ein Lee Sangsu oder ein Jang Woojin auch brandgefährlich und in Lauerstellung, einen Chinesen ein Bein zu stellen. Aber irgendwie ist es schon immer komisch. Wenn man selber auch mal gegen einen schlechteren verliert beziehungsweise die Möglichkeit besteht, wirkt China aufgrund der letzten Ergebnisse vor der WM nicht wirklich in Gefahr – aber man weiß nie. Auf jeden Fall ist eine Nation immer gefährlich für China – die Deutschen!

Hugo Calderano bei der Tischtennis WM
Mit Hugo – der super sympathisch ist und zu mir meinte, dass er die WM gewinnen will

Was machen die eigentlich?

Die deutsche Nationalmannschaft schickt mit Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov, Patrick Franziska, Dang Qiu und Bastian Steger fünf Spieler nach Budapest zur WM. Überraschend ist dabei Dang Qiu mit dabei, der aber durch ein herausragendes Turnier sein Ticket gesichert hat. Das Trainingtier Benedikt Duda ist leider nicht mit dabei, was ich persönlich sehr schade finde. Es gibt wohl kaum jemanden, der das Wort „Profi“ so exzellent ausfüllt wie Bene. Er ist immer am ackern und wenn die alle aus der Halle gehen, zieht er sich sein viertes frisches Trikot über und macht noch ein paar Aufschläge.

Timo Boll – im hohen Alter noch einmal ein zum China-Schreck?

Die Zeichen stehen eher schlecht, aber bei Boll weiß man nie wie viel er mit seiner Erfahrung wettmachen kann. Er ist nicht in Bestform und meinte letztens bei der Pressekonferenz zur Tischtennis WM in Budapest, dass das nicht mal einfach so mit einem Fingerschnipps funktioniert, man aber nie wirklich weiß und das es heißt gut ins Turnier rein zu kommen und dort die Leistung immer wieder zu steigern.

Meine Meinung zu Timo:

Gegen Gegner wie Pistej Lubomir oder Chen Chien-An wird Boll mit seiner Routine gewinnen. Vielleicht ist ihm auch ein Sieg gegen Spieler aus den TOP 10 zuzutrauen, wie zum Beispiel Jang Woojin. Das könnte ich mir persönlich gut vorstellen. Nur gegen Ma Long, Fan Zhendong, XU Xin und Lin Gaoyuan wird das Spiel zu schnell, zu fest und zu sicher. Aber ich lasse mich sehr gerne eines besseres belehren. Schließlich ist Timo nicht nur der sympathischste Tischtennisspieler aller Zeiten, sondern auch eine absolute Legende und vielleicht kommt ja ein ungewohnter Höhepunkt seiner herausragender Karriere mit dazu!?

Dima Ovtcharov – der Unzufriedene

Man hat es bei der Pressekonferenz zur WM gesehen: Ovtcharov ist mit seiner Platzierung in der Weltrangliste (12) ganz und gar nicht zufrieden und hat andere Ansprüche als die Nr. 12 der Welt zu sein. Seine doch recht schwere und langfristige Verletzung im Jahr 2018 hat ihn in der Weltrangliste aus den TOP 10 bugsiert. Auch er ist noch nicht der alte Dima, der als China-Schreck Nummer 1 zu handeln ist. ABER: Ein Ovtcharov ist ehrgeizig und sehr professionell. Als er damals bei uns Hamburgern bei einem nationalen Turnier an der Zimmertür geklopft hat und nach einer Partie Schach oder Skat um Geld gefragt hat, dachte ich zuerst, dass es ein Scherz sei und meinte: „Hey Dima, gerne, aber ich bin kein Schach-Pro und mein Taschengeld würde ich ungern dafür opfern“. So schnell die Tür aufging, ging die Tür danach auch wieder zu. Da war mir bewusst:

Don´t mess with Ovtcharov

Am nächsten Tag beim Spiel gegen ihn bestätigte sich übrigens diese These – es war doch ein deutliches Spiel – komisch eigentlich…

Was traue ich Dimitrij Ovtcharov zu?

Meine Prognose: Dima spielt ein gutes Turnier, beißt sich rein, revanchiert sich im Achtelfinale bei Koki Niwa für seine Niederlage bei der WM 2017 in Düsseldorf und scheitert gegen Fan Zhendong im Viertelfinale. Falls er das gewinnen sollte und alles nach Setzungsplan verläuft, würde dann Ma Long im Halbfinale warten. Hoffentlich ist er topfit und kann sein bestes Tischtennis spielen. Allerdings Im gestrigen Training wirkte aber alles gut. Einmal ging er sich ein bisschen an den Rücken und wechselte die Übung, aber insgesamt hat er einen guten Eindruck gemacht. Go Dima!

Patrick Franziska

Ich traue Franz bei der Tischtennis WM hier in Budapest viel zu. Er spielt in allen drei Wettbewerben und hat die maximale Belastung – aber er ist fit und fühlt sich gut vorbereitet. Gestern beim Training hier in Budapest war er wie immer sehr locker und hat Boll im Trainingsspiel geschlagen, was die Presse allerdings nicht erfahren durfte. Franz ist auf jeden Fall das Achtelfinale oder Viertelfinale zuzutrauen. Gelost wurde er in die auf die Seite von Wong Chun Ting, Harimoto, Lee Sangsu und Mattias Falck. Also kein Chinese und ein Sieg ist ihm gegen alle zuzutrauen.

Sein ganz großes Turnier?

Vielleicht wird es gegen einen stark aufspielenden Harimoto schwer, aber auch das Spiel ist sicher besser für ihn als gegen Fan Zhendong oder Ma Long. Gegen Xu Xin, der ebenfalls später auf ihn warten könnte, hat Franz schon gezeigt, dass er bereit ist, ihn zu ärgern. Die Tendenz ist zwar, dass er auch mit einer guten Leistung gegen ihn 4:2 verliert, aber man weiß nie und Franziskas Entwicklung ist beeindruckend. Ihm ist es auf jeden Fall zuzutrauen, dass er gegen er auch mal einen Top-Chinesen schlägt, am besten gleich bei dieser WM. Aber man muss auch sagen, dass das Niveau hier bei der WM natürlich herausragend ist und es keinesfalls so sein muss, dass die Top-Gesetzten alle durchmarschieren. Für mich ist Franz eine große Überraschung zuzutrauen und ich werde natürlich bei seinen Spielen mit dabei sein und berichten.

Die Stimmung im deutschen Team

Insgesamt muss man sagen, dass es eine sehr entspannte Stimmung im Nationalteam hier bei der Tischtennis WM ist. Alle verstehen sich gut, nehmen sich gegenseitig auf die Schippe und man hat nie das Gefühl, dass irgendwie schlechte Stimmung aufkommen könnte. So etwas ist auch nicht selbstverständlich und kann enorm wichtig sein, wenn es später bei den engen Spielen um die Tagesform geht und wie sich die Spieler fühlen.

Letztes geheimes Training von Boll, Ovtcharov und Co. bevor es losgeht

Team Japan – Tomokazu Harimoto

Es ist schon verblüffend – bei der letzten WM 2017 in Düsseldorf kannte noch keiner Tomokazu Harimoto. Zwei Jahre später ist er die Nummer vier der Welt und hinter Fan Zhendong, Xu Xin und Lin Gaoyuan. Chinas Staatsfeind Nummer eins sozusagen. Gleich vor Timo.

Harimotos Schreien

Es gibt ja viel Kritik über seine Schlachtrufe nach jedem Ball. Ich muss an dieser Stelle mal eine Lanze brechen für den jungen Knaben. Er ist abseits des Tisches sowas von sympathisch, lacht, macht Späße und ist super bescheiden. Viele sehen leider nur sein anfeuern bei den Punkten. Das ist natürlich in dem Maße wie er es macht kontrovers zu diskutieren und ich kann gut verstehen, dass es Leute stört und nervt, wenn er in der ersten Hauptrunde bei 0:0 nach dem Punkt „Tschoaaa“ ruft und man das Gefühl hat, dass er gerade Weltmeister geworden ist.

Warum macht er das?

Harimoto meint, dass es ihn entspannt und so den Druck und die Anspannung rausnimmt. Man darf nicht vergessen: Der Kleine ist 15, trainiert 10-12x die Woche und hat natürlich enormen Druck, wie alle Wunderkinder. Auch wenn man das in Deutschland nicht so mitbekommt – er ist ein absoluter Superstar und der Medienrummel um ihn ist extrem. Daher soll er das lieber am Tisch rauslassen und privat so nett und freundlich bleiben als andersrum. Dass er trotz all dem Rummel um ihn noch so menschlich und bescheiden ist, rechne ich ihm hoch an. Vielleicht ein bisschen weniger „Zoaleee“ rufen, aber Tomokazu Harimoto ist einfach ein Spitzentyp und ich bin mir sicher, dass der ganze Hype ihn nicht dazu bringt abzuheben oder arrogant an anderen vorbeizugehen, wie das in der Trainingshalle hier bei einigen der Fall ist. Wenn euch Harimoto, sein Material und seine Trainingsintensität interessiert, könnt ihr hier weiterlesen: Tomokazu Harimoto – das Wunderkind und seine Geheimnisse.

Wie ist die Organisation in Budapest

Bisschen durcheinander und die Kontrollen sind streng. Ich habe zum Glück meine Presse-Akkreditierung für das Xolay und habe freie Bahn, aber auch nur in den Bereichen, in die die Medienvertreter dürfen. Bis ich die aber bekommen habe, musste ich hin und herlaufen, aber jetzt habe ich sie und bin super glücklich.

Es kann losgehen: Die Weltmeisterschaft in Budapest und das Xolay ist für euch vor Ort

Morgen bin ich für euch wieder in der Halle und berichte euch live vom Geschehen. Abends gibt es dann immer hier eine Zusammenfassung von dem Tag. Es ist super interessant hier auch als Trainer bei der Tischtennis WM vor Ort zu sein, weil es für mich neben den ganzen schönen Spielen fast wichtiger ist, was die Leute in den Trainingshalle trainieren, welche Übungen sie wann und wie lange spielen und wie sie taktisch in den Spielen agieren.

Wie trainiert die Weltelite?

Die ersten Tage waren hier Gold Wert. Die Top Stars wie Ma Long, Fan Zhendong, Xu Xin, Harimoto, Hugo Calderano, Dimitrij Ovtcharov oder Timo Boll habe ich Stunden beim Training zugeschaut, Videos gemacht und viele Interessante Dinge gesehen. Das werde ich natürlich in meine eigenen Lehrgänge, Einzeltrainings oder Gruppentrainings in Hamburg mit einbauen und ihr dürft gespannt sein. Ich habe in zwei Tagen schon wieder so viel neues von den Nationen Japan und China gelernt, dass ist der Wahnsinn. Es ist so unfassbar interessant die Weltstars so sehen zu können und ich bin glücklich, dass ich die Akkreditierung habe und überall hinter die Kulissen komme.

Ich freue mich sehr auf den Start morgen und auf alles was kommt.

Auf geht´s Team Deutschland und auf viele schöne Ballwechsel am ersten Tag!

Euer Simon