Das Tischtennistraining mit den Bundestrainer

Blamage am Anfang, ein potentieller Lehrgang mit der Nationalmannschaft
und der Umgang vom Bundestrainer mit Nationalspielern

Diese Woche stand eine große Sache an – der Bundestrainer des Deutschen Behindertensportverbandes kam zur TT World und schaute sich das Training von Nationalspielerin Stephanie Grebe an. Volker Ziegler war einst Verbandstrainer in Hamburg, bevor er über 10 Jahre Landestrainer in Baden-Württemberg war. Wie gut der Landesverband seit Jahrzehnten ist, muss glaube ich nicht weiter erwähnt werden. Nur soviel: Als ich früher für Hamburg gespielt habe und es beim Länderpokal Hamburg vs. Ba-Wü hieß, war immer klar, dass jeder Satzgewinn gefeiert werden sollte. Jetzt wurde also mein Training von höchster Stelle unter die Lupe genommen. Vorab hatte ich zwar einige Vorschusslorbeeren, da der Bundestrainer natürlich mit dem Silbermedaillegewinn in Rio von Steffi gesehen hatte, dass sich ihr Spiel durch das zweijährige Training mit mir verbessert hat und es auch die heiß ersehnte Medaille bei dem Turnier schlechthin gab.

Normale Trainingseinheit oder eine Show Tischtennis-Trainingsstunde 

Dennoch hieß es jetzt mal wieder einer Prüfungssituation als Trainer ausgesetzt zu sein anstatt selber zu prüfen und abzuliefern. Ich entschied mich vorab ein normales Training durchzuführen und keine Show-Einlage. Es ging schließlich nicht darum, mich gut aussehen zu lassen, sondern um Steffi und neue Ideen und Anregungen für ihr Training. Damit soll dann eine weitere Optimierung auf die kommende Weltmeisterschaft ermöglicht werden.

Die Blamage am Anfang und was wir daraus lernen können

Vorab: Vielleicht fällt euch akribischen Lesern ja gleich der Fehler auf.
Los ging´s: Treffpunkt war die Contra TT World und nach Ladenschluss gingen Steffi, Nationaltrainer Volker Ziegler und ich an den Start. Nachdem wir im Vorfeld ein paar Einzelheiten klären konnten, gingen wir an den Start. Steffi, die besser mit der Vorhand kontert als so mancher mit Handgelenk, legte wie immer los wie die Feuerwehr und es klickerte wie gewohnt. Lang und schnell waren die Ballwechsel, bevor wir zur Rückhand und ihrer langen Noppe ohne Schwamm wechselten und uns dann parallel einspielten. Topspin über Mitte, Topspin parallel und Topspin mit kleiner Beinarbeit hießen die ersten Übungen. Danach spielte ich ihr noch mit einer Balleimer-Übung regelmäßig in Vorhand und Rückhand, wo sie VH-Topspin zog und mit der Noppe aus RH angriff.
So liebe Leute, was ist hier falsch gelaufen?
Richtig, wir haben das Aufwärmen vergessen… Ein absolutes „No-go“ und das vor den Augen des Bundestrainers.  

Aufwärmen beim Tischtennis

Ist so beliebt wie kalte Duschen in der Sporthalle oder ein Kantenball im Entscheidungssatz. Dennoch: Aufwärmen hat schon einen Sinn, auch wenn man darauf keine Lust hat. Gerade das Vorbeugen von möglichen Verletzungen ist dabei zentral. Daher war das natürlich kein Paradebeispiel, dass ich genau in dieser Einheit das Aufwärmen vergessen habe…

Alternatives Aufwärmprogramm

Da Aufwärmen als Foltermethode wahrgenommen wird, gibt es eine Alternative, die zwar nicht so zu empfehlen ist wie das Aufwärmen, aber dennoch einem „0:0 – los fang an hast Aufschlag“ vorzuziehen ist. Und zwar ist es vorsichtiges Einspielen, am besten mit ein bisschen Bewegung. Dieses tischtennisspezifische Aufwärmen ist gerade für diejenigen interessant, die wirklich gar keine Lust haben, sich aufzuwärmen. Also immer schön langsam anfangen und nicht gleich so auf die Bälle einprügeln, dass der andere über die Bande steigen muss um den Ball zu holen. Doch zurück zum Thema:

Die genaue Analyse vom Bundestrainer

Ich habe in den ganzen Jahren als Trainer und auch als Spieler sehr viel über´s Tischtennis lernen dürfen und viel gehört. Es gibt aber auch für mich immer wieder diese Momente, wo ich vorab schon beide Augen und Ohren ganz weit öffne um genau zuzuhören, weil Trainer-Floskeln wie: „Du musst dein Spiel machen“ vermutlich nicht kommen werden. Genau so ein Moment war gekommen, während wir Steffies Training und Spielverhalten analysierten. Volker Ziegler hatte sich natürlich schon vorher Gedanken gemacht, was es noch für – vielleicht auch exotische – Möglichkeiten gab, Stephanie Grebes Spielsystem nach vorne zu bringen.

Balleimertraining und mehr Power im Vorhand-Topspin

Was er sah, als ich mit ihr unregelmäßig Balleimer (1x Mitte regelmäßig | 2x außen unregelmäßig) spielte, war, dass sie aus der Mitte häufig mit dem Oberkörper austarierte. Dabei waren ihre Beine recht zentral nach vorne gestellt, auch wenn der Ball ein bisschen weiter in die Rückhand kam. Klar hat es Steffi mit der Prothese schwieriger, aber sie ist ja hochtalentiert und kann mit der Hüfte das rechte Bein leicht nach hinten schieben. Damit hat sie einen viel druckvolleren und qualitativ hochwertigeren Vorhand-Topspin. Das bringt ebenfalls mehr Dynamik in den Bewegungsablauf. Wenn ihr mal bei euch darauf achtet, werdet ihr vermutlich auch feststellen, dass ab und an einfach „faul“ der Oberkörper und die Hüfte verschoben werden, aber das rechte Bein (bei Rechtshändern) noch diesen kleinen öffnenden Schritt macht. Und dieser bringt eine Menge: Der Schlag wird deutlich dynamischer!

Rückschlag-Probleme und die Predigt vom Bundestrainer,
aus dem System auszubrechen

Ihr kennt es alle: einige Spielsysteme liegen einem, andere nicht. Ziel muss es erstmal sein, das eigene Spielsystem dem anderen aufzuzwingen. Wenn das nicht funktioniert oder der andere auf dieses Spielsystem spielen kann, muss man flexibel sein und sich taktisch so umstellen, dass man eben nicht mehr so Tischtennis spielt, wie der andere es gerne mag. Dafür muss man natürlich unabhängig von dem wichtigen Thema der Platzierung auch im Aufschlag- und Rückschlag-Bereich ein gewisses Repertoire parat haben. Und hier kommt der wichtige Punkt für das Training: Das muss trainiert werden! Viele spielen – wenn überhaupt Übungen gespielt werden und es nicht gleich mit den Wettkämpfen startet – häufig ähnliche oder dieselben Übungen. Das hat auf jeden Fall auch Vorteile und hilft in den Flow zu kommen. Allerdings muss es manchmal, ganz gleich ob man das im Wettkampf mit den TT-Kollegen im Verein oder mit Übungen macht, etwas anderes trainiert werden.

VH-Abwehr anstatt 1000 VH-Rückschläge

Steffi hat teilweise wie so viele andere auch Probleme mit dem Vorhand-Rückschlag aus dem VH-Bereich. Was haben wir also im Training gemacht? Sie musste erstmal drei Schritte zurückgehen und durfte schön abwehren und sägen, was das Zeug halt. Logischerweise wurde nach kurzer Zeit die Abwehr aufgrund ihres Talents ziemlich gut. Aber – Achtung Floskel – aller Anfang ist schwer. Auch sie ist anfangs nicht richtig unter den Ball gekommen, sondern wollte den Ball recht zentral bei der Abwehrbewegung treffen und so sicher den Ball auf den Tisch spielen. Nach einiger Zeit kam der Ball dann mit so viel Unterschnitt, wie sich das jeder Spieler und Trainer wünscht. Denn wenn die Säge kommt und man den anderen wieder zum Topspin ausholen sieht, bedeutet das meistens eins:

Der Zelluloid- bzw. die Plastikball fliegt

Und zwar direkt in die unterste Netzmasche. Für den Sensenmann bzw. für die Sensenfrau ist das immer ein unglaublich befriedigendes Gefühl.
Danach ging es wieder an den Tisch und Simsalabim: Sie ging richtig gut unter den Ball und hatte viel mehr Ballgefühl beim eigentlichen Ziel, ihren VH-Rückschlag zu verbessern.

Mein Apell an euch

Brecht aus eurer Routine aus und probiert euch aus! Beispielsweise bringt Abwehr spielen als Angreifer nicht nur unheimlichen Spaß im Training, sondern hat auch viele Vorteile für euer Spiel. Gerade wenn ihr über dem Tisch beim Rückschlag nicht so gut seid. Meistens gehen die ersten Bälle in die Wolken und man fühlt sich wie der letzte Mensch, aber ihr bekommt nach einiger Zeit das Gefühl dafür. Wechselt euch immer mal ab und macht gemeinsam eine „Daddel-Einheit“ für eine gewisse Zeit des Trainings. Somit verbessert ihr euer Schlag-Repertoire.

Fazit der Trainingseinheiten

Es ist natürlich spannend und eine mega Erfahrung, sich mit einem Bundestrainer und solchen Trainer-Koryphäen auszutauschen. Es war auch unheimlich angenehm den Umgang von „Chefcoach“ und Nationalspielerin mal live zu erleben. Gegenseitiger Respekt, trotzdem wird aber gelacht und Späße macht.

Der Umgang mit Behinderung  

Volker hat als Bundestrainer ja immer mit Spielern und Spielerinnen zu tun, die eine Behinderung bzw. ein Handicap haben. Es ist schon eine große Herausforderung und auch gerade der Umgang ist nochmal komplizierter. Ich bin mit Steffi gut befreundet und habe einen sehr lockeren Umgang mit ihr. Allerdings merke ich, wenn ein dritter dazukommt, ist derjenige manchmal ein bisschen unsicher und weiß nicht genau, wie man sich verhalten darf. Das merkt man glaube ich als Mensch mit Behinderung und man will einfach genauso gesehen werden wie jeder andere auch und keine übervorsichtige Rücksicht bekommen. Volker hat natürlich eine andere Beziehung und Rolle zu Steffi und es war richtig cool zu sehen, dass er völlig normal mit ihr und dem Handicap umgegangen ist und es keinen „zu vorsichtigen“ Umgang mit ihr gab. Alles lief absolut professionell ab. 

Das Trainer-Highlight beim Essen

…war die Perspektive, dass ich eventuell bei einem Lehrgang der Nationalmannschaft in Spanien als Trainer mit dabei sein kann. Das wäre natürlich ein Kracher, aber noch ist keine Einladung geschrieben und daher heißt es, weiter gut und hart arbeiten und sich immer weiter zu verbessern. Dazu mit Steffi eine gute Vorbereitung für die WM hinzulegen, damit man weiter mit guten Leistungen als Trainer auf sich aufmerksam macht.
Ich freu mich auf die Zukunft – nicht nur mit Steffi, sondern auch mit euch.
Bleibt am Ball und bis bald,
Simon