Xolay goes Zürich

Das Bar Mizwa Fest

Stress am Flughafen

Meine Lieblings-Tischtennisübung

Es war endlich soweit – Xolay goes Zurich. Nach einer langen Planung stand ich am Terminal 1 des Hamburger Flughafens. Im Gepäck waren 8 Trikots, zwei Schläger und kurze Hosen und viel gute Laune. Nachdem Spieler aus Dänemark, Schweden, der Schweiz und Amerika bei uns in der Contra TT World zum Tischtennistraining bzw. den Tischtennislehrgängen gekommen waren, um an ihren Aufschlägen, Topspins und Rückschlägen zu arbeiten, sollte es nun das erste Mal sein, dass ich ins Ausland fliege, um jemanden zu trainieren. Das klingt ziemlich abgefahren und ganz ehrlich: das ist es auch gewesen.

Tischtenniskurse auf Englisch

Alleine schon die Tischtennislehrgänge, bei denen ich aufgrund der internationalen Teilnehmer dann bei den Erklärungen immer vom deutschen ins englische gewechselt bin, haben nicht nur mir super viel Spaß gemacht. Auch die anderen Teilnehmer, die davon zwar wussten, meinten vorher immer: „Mein Englisch ist nicht wirklich gut“, aber wie das im Sport so häufig ist – es machte am Ende überhaupt keinen Unterschied, woher man kommt oder was man für eine Sprache spricht. Es hat einfach nur allen unglaublich viel Spaß gemacht. 

Wieso Zürich?

Während ich selbst einen Tag vor meinem Geburtstag in der Contra TT World an meinem Aufschlag und am Rückschlag gefeilt hatte, stand plötzlich ein kleiner Junge mit seiner Mutter an der Bande. Ich begrüßte die beiden und die Mutter fragte mich, ob ich ihren Sohn nicht spontan trainieren könnte, da sie spontan in Hamburg seien und Noah, so heißt der kleine Champ, tischtennisverrückt ist und unbedingt spielen will. Ich sagte spontan ja, versenkte noch ein paar Vorhand-Topspins und dann ging es auch schon los, da meine Tischtennis-Einheit eh fast zu Ende war. 

Nervosität und spielerische Klasse

Noah war am Anfang verständlicherweise ziemlich nervös. Mit 12 Jahren das erste Mal in Hamburg und dann ab in den Tischtennisshop in Hamburg. Spontan läuft dort dann einer von der Tischtennisschule rum und 5 Minuten später steht man an dem Tisch mit einer Kamera. So kann’s manchmal laufen. Das legte sich allerdings schnell und er zog eine Vorhand-Rakete nach der anderen. Seine Technik war gut, allerdings war ihm seine Tenniskarriere anzumerken und man wusste nicht, ob da ein kleiner Harimoto oder ein kleiner Roger Federer einem gegenüberstand. Nach ein paar Technik-Korrekturen, Aufschlagtipps und einer Balleimer-Session brannte der kleine Schweizer dann aber genau auf eins: Er wollte unbedingt einen Wettkampf gegen mich spielen. Als er hörte, dass TTR-Wert bei 2030 liegt, sind ihm fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Ob das ich das jetzt positiv oder negativ deuten soll, lass ich jetzt mal euch bewerten.

0:0 und das Feuer entfachte

Noah brannte und man hat ihm seinen Siegeswillen direkt angemerkt. Er wollte nicht nur mitmachen oder möglichst viele Punkte sammeln – er wollte das Spiel gewinnen. Das ist schon mal eine Einstellung, die gut ist, allerdings immer mit der latenten Gefahr, dass das ganze in Frust umschlägt. Das war dann auch kurzweilig der Fall, aber als er einige gute Punkte gemacht hat und ich ihn erinnert habe, dass ich in der Regionalliga spiele und es Ehrgeiz super ist, aber man dann auch bei Ballwechseln anerkennen muss, dass der andere da einen Tick besser ist,  war alles wieder super und er zog Topspins was das Zeug hielt. Mich freute, dass er auch gleich ein paar Aufschlagtipps beherzigte und einsetze.

Bitte Mama…!

Nach der Einheit kam dann sofort der flehende Blick in Richtung Mutter: Bitte, bitte, ich muss noch eine Einheit mit Simon machen. Danit, die ganz liebe und herzliche Mutter des kleinen Roger Federers, sagte ihm, dass er mich fragen sollte und was passiert wenn begeisterte und treue Kinderaugen einen anschauen und nach einem Trainingstermin am nächsten Tag fragen, wenn man an dem Tag eigentlich Geburtstag hat? Genau, man sagt „Ja“. Ich habe mich wirklich gefreut, denn die Einheit hat super viel Spaß gemacht und mal ehrlich: an seinem Geburtstag ein paar Bälle spielen hat auch was!

Die Geburtstags-Tischtenniseinheit

begann super lieb. Noah, die kleine Topspin-Maschine hat mir doch tatsächlich von seinem Taschengeld ein kleines Geburtstagsgeschenk gekauft. Ich war ziemlich sprachlos und dankbar. Noch bevor ich viel sagen konnte, war Noah schon in der Box und wollte loslegen. Da habe er nämlich schon den ganzen morgen drauf gewartet und Elbphilharmonie, das Miniatur Wunderland und die Landungsbrücken mussten sich hinten anstellen – denn erstmal sollten ein paar Vorhand-Schwinger durchgeladen werden. Mich freut natürlich immer so eine Begeisterung und das es erinnerte mich schon ein bisschen an mich, wie ich nach Allermöhe oder sonst wohin gefahren wurde und alles vergessen hatte und nur noch Tischtennis im Kopf hatte.

Schweiß

Die Tischtenniseinheit verlief genauso super wie die erste Einheit Tags zuvor. Mit viel Leidenschaft, Spaß, Schweiß, guten Bällen und neuen Aufschlägen verließen wir schließlich die Halle und er Abschied rückte näher. „Mama, wann können wir wieder nach Hamburg fahren?“ war die erste Frage, bevor „Kommst du uns mal in der Schweiz besuchen?“ gleich darauf folgte. Das dies in sechs Monaten Wirklichkeit wurde, wusste zu diesem Zeitpunkt noch niemand von uns dreien.

Bar Mizwa

Der Grund für meinen Besuch war das Bar Mizwa Fest des kleinen Noah. Damit ihr hier nicht nur Tipps und Tricks im Tischtennis und Einblicke in meine Tischtenniswelt bekommt, sondern auch was zum Thema „Allgemeinbildung“ mitnehmen könnt, ist hier ein ganz kleiner Exkurs in das Judentum: Bei dem großen jüdischen Fest „Bar Mizwa“ sind die Jungen mit dem  eintreten des 13 Lebensjahres laut jüdischem Recht für die Einhaltung und Beachtung der jüdischen Gebote verantwortlich. Noah, der „Bar Mizwa“ darf bzw. muss ab diesem Zeitpunkt die religiösen Aufgaben erfüllen – z.B. in der Synagoge die Tora vorlesen. Bei diesem großen und besonderen Fest der Juden bekommt man immer ein besonderes Geschenk – und das sollte ich sein. Kein Druck, aber du bist sein Bar Mizwa Geschenk.

Der Hamburger Flughafen – Bist du Timo Boll?

Alles war angerichtet und nach einigen geheimen Telefonaten, bei denen Noah natürlich nichts mitbekommen durfte, war der Flug gebucht.Ich flog also in die Schweiz nach Zürich. Danit hatte sogar meinen Namen im Telefon geändert, damit der pfiffige Noah nicht beim rüberluschern in Mamas Handy meinen Namen sieht und Lunte riecht.
Damit die Überraschung gleich standesgemäß verläuft, war ich natürlich in voller Montur: Trainingsanzug mit den Sponsoren und ein Tischtennis-Rollkoffer sorgten dafür, dass mich nicht nur einige Fluggäste anschauten, sondern mich auch einer Ansprach und meinte, er spiele auch Tischtennis und ob ich nicht in der ersten Bundesliga spiele – irgendwoher kennt er mich. Ich meinte, dass ich neu bei Borussia Düsseldorf bin und als Backup für den in letzter Zeit häufiger verletzten Timo Boll einspringen soll.

Pro Tour Fernsehen vs. Tischtennisschule

Das habe ich natürlich nicht gesagt.. Ich meinte, dass ich eine Tischtennisschule in Hamburg leite und dann dämmerte es bei ihm. Er hatte mich mal in der Contra TT World gesehen und vermutlich nicht stark genug getrennt zwischen dem Fernseher dort mit den Pro Tour Spielern und mir. Das war schon eine ganz witzige und kuriose Situation. 

Mein Schläger kommt mit!

Mein wertvollstes Stück hatte ich natürlich im Handgepäck mit parat – meinen Schläger. Nicht ganz so lustig fanden das die Kontrolleure. 

Schlüssel – ok – Handy – ok – Laptop – ok –
Königsklasse-Holz mit zwei nagelneuen HypeXTs – Stopp – rüberkommen, bitte…

Tolle Wurst, was soll das denn jetzt – dachte ich mir und schlürfte mutwillig mit rüber. Da ich meine Tischtennisbeläge nicht behandle und booste war das die erste Schlägerkontrolle, bei der rausgezogen wurde. Denen ging es aber glaube ich wohl weniger um das Schlägertuning, sondern eher ob eine mögliche Gefahr bestehen könnte. Als ich zu denen meinte, dass der Schläge heilig für mich ist und ich zum Tischtennis spielen in die Schweiz fliege, schaute die nette Dame meinen Trainingsanzug von oben bis unten an und sagte: „Okay, dann drücke ich mal ein Auge zu.“ Geschafft – es konnte also endlich losgehen!

Züricher Flughafen – Grüezi mitenand

Also die ganze Tour im bedrucktem Trainingsanzug zu fliegen hat folgende Vorteile. Erstens hat man hat das Gefühl, bei den letzten Matches nicht 12 TTR Punkte bekommen zu haben sondern 500 TTR Punkte. Im Flugzeug gibt’s frischen Orangensaft aus der Business Class für „Profi-Sportler“ und auch sonst sind Menschen irgendwie ziemlich freundlich zu einem. Noah, der in der Ankunftshalle dachte, die holen Verwandte für die Feier ab, hat wohl doch irgendwie irgendwo ein bisschen Lunte gerochen. Vielleicht lag es auch daran, dass gerade ein Flug aus Hamburg gelandet ist und er ziemlich clever ist, auf jeden Fall wurde ich strahlend mit einem:

Ich habe es doch gewusst!

Der Simon kommt – in Empfang genommen. Man hatte uns allen dreien angemerkt, wie glücklich wir waren. Danit, weil alles geklappt hat – ich, weil ich zu Noah zum Training fliege und Noah, weil er endlich wieder ein richtig Gas geben kann. Denn neben Skispringen im Fernsehen und vielen anderen Sportarten hat Noah vor allem eins im Kopf hat: Tischtennis.

Der Squash Court

Zentrum unserer Trainingssession sollte ein Squash Court in einer Multifunktionshalle sein. Ich hatte mir im Vorfeld einiges überlegt, um die Roger-Federer-Vorhand noch gefährlicher zu bekommen. Wichtig war eine kurze und schnelle Bewegung bei Noahs Unterarm hinzubekommen. Wichtig war dabei, dass der Ellenbogen sich nicht zu viel bewegt und wir machten ein paar Übungen dazu mit und ohne Ball. 

Tischtennisübungen Vorhand-Topspin und Rückhand-Topspin

Am wichtigsten war neben regelmäßigen Übungen wie Vorhand-Topspin aus Vorhand, aus der Mitte, aus der Vorhand und Rückhand-Konter auch unregelmäßige Übungen. Beispielsweise trainierten wir 1-2 Bälle Vorhand-Topspin aus der Vorhand und ein Ball Rückhand-Konter oder Rückhand-Topspin zu ziehen. Das sind beides super Tischtennisübungen für den Vorhand-Topspin und eine Grundsicherheit in den Grundschlägen und im Wechsel zwischen Vorhand und Rückhand. 

Eine meiner Lieblingsübungen

Danach kam eine meiner Lieblingsübungen im Training, die allerdings recht schwer ist. 1-3 Bälle Vorhand-Topspin aus Vorhand, 1-3 Bälle Rückhand-Konter bzw. Rückhand-Topspin aus Rückhand. Die Übung ist sehr schwer aber ziemlich effektiv. Viele Spieler mit denen ich trainiere, die einen TTR-Wert über 2000 haben schwören auf diese Übung. Damit das ein bisschen einfacher ist, falls man mal einen Fehler macht, starte ich die Übung meistens immer am Balleimer in einem gemäßigten Tempo. Wichtig ist dabei, dass der Schlägerkopf nach vorne zeigt, damit man gut in die Topspin-Bewegungen reinkommt. Und bitte nicht vergessen: Dein Tischtennisschläger bleibt immer oben.

Die Damen-Tischtenniselite

Vorbild sollte hier die Weltspitze der Damen sein, bei denen der Schläger immer schön oben bleibt. Ansonsten wäre das Tempo, dass dort gespielt wird gar nicht möglich. Auch ist darauf zu achten, dass der Ellenbogen nicht zu dicht am Körper ist. Das führt gerade beim Vorhand-Topspin häufig zu Schlagbewegungen, die auf Brust- bzw. Schulterhöhe enden anstatt auf Stirnhöhe. Die Übung ist übrigens auch abgewandelt mit 2-3 Vorhand-Topspins aus Vorhand und 2-3 Rückhand-Konter bzw. Rückhand-Topspin möglich zu spielen.

Wichtig ist folgendes

Nicht zu schnell und hart spielen, sondern lieber auf eine stabile Topspin-Technik und einen guten Wechsel von Vorhand zu Rückhand denken. Darüber hinaus solltet ihr nicht raten und schon in die Topspin-Bewegung gehen. Lauern und seid bereit, entweder einen Vorhand-Topspin oder einen Rückhand-Konter zu spielen. Die Übung ist allerdings wirklich ambitioniert und nicht leicht, aber häufig ist man am Anfang völlig überfordert. Viele Tischtennisspieler sagen am Anfang: „Das geht gar nicht“, aber nach ein paar Minuten sieht die Welt dann plötzlich ganz anders aus. Man kann die Übung auch zum Einspielen nutzen, bei der man dann beispielsweise mit Vorhand-Konter und Rückhand-Konter startet. 

Zurück nach Zürich

Übernachtet habe ich bei der Familie im Gästezimmer. Alles war super harmonisch und Noah zeigte noch ein verstecktes Talent: Stadtführer. Alle geheimen Winkel der Stadt wurden erkundet und am Ende gab es noch ein Luxemburgerli, eine sehr leckere züricher Spezialität. Doch wir waren ja nicht nur zum Bummeln und Luxemburgerli essen da, sondern wollten wieder ein paar Topspin ziehen und dieses Mal sollte der Fokus auf dem Aufschlag liegen und Noah wollte versuchen die neuen Aufschlagtipps umzusetzen.

Bar Mizwa und das Xolay mitten drin 

Am Abend vor der Feier ging es dann zu den Großeltern. Zwei Tage vorher noch in der Contra TT World und nun beim Familienessen vor Noahs großen Tag bei einer Schweizer Familie – so schnell kann das gehen. Das Bar Mizwa Fest war schon etwas sehr besonderes für mich. Viele Familienmitglieder, Freunde und Bekannte versammelten sich in der Synagoge, um den Tag mit Noah gemeinsam zu erleben. Noah las aus der Tora vor und alles war sehr festlich und nett. Besonders schön fand ich die offene Art, wie alle aufgenommen wurden. Nachdem die Feierlichkeiten vorüber waren hieß es dann auch irgendwann leider schon Abschied nehmen. Es war für mich eine aufregende und tolle Zeit in Zürich bei dir Noah. Das alles werde ich nicht so schnell vergessen. Im Sommer kommt der kleine Roger Federer wieder nach Hamburg und es heißt wieder: Gas geben, Tischtennis spielen, Aufschlagtipps und Tricks lernen, viel lachen und eine mega Zeit haben. 

Ich freu mich jetzt schon darauf!

Euer Simon