Die Titel gehen nach Hessen, den Westdeutschen Tischtennisbund und Baden-Württemberg

Warum eigentlich nicht nach Hamburg?

Ein Artikel von jemanden,
der alles hautnah miterlebt hat

Wieso eigentlich?

Oft sehen wir ganz andere Bundesländer auf den Podestplätzen, aber woran  liegt das eigentlich? Dieser Artikel beleuchtet anhand einiger Beispiele, das Ungleichgewicht, welches momentan im Bundesländerkampf herrscht.

Deutsche Meisterschaften der Leistungsklassen

Letztes Wochenende vom 14 – 16. Juni hatte ich die Gelegenheit bei den Deutschen Meisterschaften der Leistungsklassen mitzumischen und durfte einen Eindruck davon bekommen, wie das Niveau in anderen Bundesländern so ist. Nicht nur war jenes auch in den unteren Klassen (Herren C ging bis 1600 QTTR) deutlich höher als man es auf Turnieren in Hamburg gewohnt war, sondern schienen auch andere Bundesländer deutlich stärker aufzuspielen. Ein Blick auf die Ergebnisse bestätigt dies.

Immer die Gleichen

In den sechs Einzelkonkurrenzen siegte 2x Hessen, 2x Baden Württemberg und 2x der Westdeutsche Tischtennisbund (Nordrhein Westfalen). Sogar in den Finalspielen selbst, war selten einen Finalist zu sehen, welcher nicht aus den oben genannten Bundesländern oder aus Bayern kam.

„Die sind aber auch größer“

Nun gut, jetzt kann natürlich zu Recht gesagt werden, dass jedes dieser Bundesländer wesentlich mehr Tischtennisspieler beherbergt und zusätzlich mehr Starter ins Rennen schickt. Das dies natürlich ein Ungleichgewicht erzeugt ist vollkommen klar. Aber es gibt meiner Meinung nach auch andere Gründe, wieso Hamburg momentan hinterher hinkt.

Der harte Weg sein Bundesland repräsentieren zu dürfen

In den letzten Wochen hörte ich öfters die Frage: „Cedric, wie kam es dazu, dass du Hamburg repräsentieren durftest?“ Für jene unter euch, welche jetzt ein kompliziertes Qualifikationsturnier erwartet hätten, die muss ich leider bitter enttäuschen, denn Hamburg handhabt diese Sachen anders.

Wer will?

Tatsächlich musste jeder Starter für Hamburg sich lediglich bei dem Hamburger Tischtennisbund bewerben und der Bewerber mit dem höchsten QTTR in der jeweiligen Klasse, der bekommt den Startplatz für die Deutschen Meisterschaften der Leistungsklassen.

Wo seid ihr?

Dies zeigt wohl, dass es leider gar nicht so viele Bewerber gibt, dass ein internes Qualifikationsturnier überhaupt Sinn machen würde. Der Verdacht wird bestätigt, wenn man feststellt, dass dieses Jahr keine Starter, weder für Herren B, noch für Damen C ins Rennen geschickt wurden.

Berlin

In vielen anderen Bundesländern ist der Weg wesentlich steiniger. Damit die Spieler ihre Bundesländer repräsentieren dürfen, müssen sie ein internes Qualifikationsturnier durchlaufen. So handhabt es zum Beispiel Berlin, bei dem sich Quan Ho mit 7:0 Spielen im Qualifikationsturnier durchgesetzt hat, um Berlin schließlich bei den Deutschen Meisterschaften der Leistungsklassen in der Herren A Klasse würdig zu vertreten. Ein kluges System, denn auch wenn der QTTR Wert in meinen Augen schon eine sehr aussagekräftige Zahl ist, sollte jeder die Chance haben, bei entsprechender Leistung, sein Bundesland zu vertreten.

Der beste Tischtennisspieler beziehungsweise die beste Tischtennisspielerin soll fahren

So wird in anderen Bundesländern schon bereits vor dem Turnier sicher gestellt, dass wirklich nur der/die beste Spieler/innen geschickt wird und nicht nur der vermeintliche. Doch nicht nur die Qualifikation der anderen Bundesländer, stellte eine ganz andere Dimension dar, als in Hamburg.

Der Betreuerstab

Was mich vor allem beeindruckt hat, war die Professionalität mit der andere Bundesländer an dieses Turnier herangetreten sind. Während wir auf gegenseitiges Coachen angewiesen waren, waren andere Bundesländer mit jeweiligen Trainern angereist, welche nur dafür da waren, die Spieler zu betreuen. Hervorzuheben waren hier vor allem Bayern und Hessen, die ein nahezu 1:1 Verhältnis hatten, also auf jeden Spieler kam ein Betreuer.

Luxus

Durchaus ein Luxus, welchen Hamburg nicht bieten konnte, was wiederum aber vor allem auch an den Kosten und den Mangel an ehrenamtlichen Kräften liegt. Diese Punkte traten besonders ans Licht, wenn man sich die Deutschen Meisterschaften der Leistungsklassen anschaut, aber auch in anderen Wettkämpfen zeigt sich das Gefälle zwischen den Bundesländern.

Deutsche Meisterschaften
der Jugend

Erst eine Woche ist es her, dass sich Matchball TV auf Youtube die Mühe gemacht hat, eine 26-minütige Dokumentation über die Deutschen Meisterschaften der Jugend zu veröffentlichen. Nicht zu Unrecht, denn diese Meisterschaften sind eines der wichtigsten Turniere, die es überhaupt im deutschen Tischtennissport gibt.

Attraktivität

Damit ein Sport attraktiv bleibt und Deutschland auch mit anderen Ländern konkurrieren kann, muss vor allem die Jugend gefördert werden. Gerade in diesem Wettbewerb können die einzelnen Bundesländer groß auffahren und anhand ihrer Sprösslinge zeigen wie qualitativ die Jugendarbeit in ihrem Bundesland ist. Für Hamburg bleibt positiv hervorzuheben, dass Anna Tietgens (Sc Poppenbüttel) bei den Mädchen eine gute Leistung brachte. Sie hat es sogar bis ins Achtelfinale geschafft hat! Bei den Jungen konnte Hamburg leider keinen Starter für das Teilnehmerfeld stellen und bei den Schülern sowie bei den Schülerinnen erwies sich die Konkurrenz als zu stark, als dass Lleyton Ullmann (TSV Sasel) oder Stella Wonschik (SC Poppenbüttel) die Gruppe überstehen konnten.

Lleyton Ullmann – Hamburgs Hoffnung

Lleyton Ullmann dürfte den meisten unter euch ein Begriff sein. Der kleine Bomber konnte zwar bei den Deutschen Meisterschaften der Schüler die Gruppe nicht überstehen, hat aber auch nächstes Jahr die Möglichkeit bei den Schülern groß auszufahren. Zudem geht er jetzt beim TSV Sasel in der ersten Herren in der Regionalliga an den Start und wird dort wichtige Erfahrungen sammeln. Aber zurück zu den Deutschen Meisterschaften.

Die üblichen Verdächtigen

Ein Blick auf die Sieger/innen zeigt, dass auch hier sich ein klares Bild abzeichnet. Abgesehen von der Schülerkonkurrenz, bei der beide Bayernspieler im Halbfinale den Kürzeren zogen und sich so Felix Köhler aus Rheinland-Pfalz im Finale gegen das niedersächsische Talent Vincent Senkbeil den Sieg ergattern konnte, zeigten sich wieder die gleichen Bundesländer erfolgreich. In der Schülerinnen Konkurrenz gewann die Bayerin Naomi Pranjkovic und Zweite wurde die Baden-Würtembergerin Annett Kaufmann.

Klee und Stumper auf dem Treppchen

In der Mädchenkonkurrenz gab es ein rein hessisches Finale zwischen Sophia Klee und Anastasia Bondareva, bei der sich die Erstgenannte durchsetzen konnte. Und zu guter Letzt in der Jungen Konkurrenz siegte der Baden-Würtemberger Kay-Stumper, welcher den Hessen Kirill Fadeev besiegte. Wieder einmal von Hamburg oder von Norddeutschland keine Spur. Jedoch enthüllt der Blick auf dieses Jugendturnier eine weitere wichtige Information.

Hamburg spielt zu niedrig

Was haben alle Sieger/innen bei Deutschen Meisterschaften der Jugend gemeinsam? Richtig, sie alle haben fast oder sogar wesentlich mehr als 2000 TTR und spielen hochklassig. Sophia Klee spielt sogar bereits 1. Bundesliga der Damen, sowie Kay-Stumper, welcher nach einer sehr erfolgreichen Saison in der 3. Bundesliga nun in der kommenden Serie auch in Neu Ulm in der 1. Bundesliga der Herren auflaufen wird. Hamburg hingegen kann dagegen nur davon träumen, solche Ligen bieten zu können. Es gibt somit für die Jugend, wenn sie denn so hoch spielen kann, bietet keine wirkliche Möglichkeit und Perspektive.

Regionalliga

Das Höchste der Gefühle ist die Regionalliga der Herren, welche zur kommenden Saison immerhin zwei Hamburger Vereine haben wird: Den TSV Sasel und den SC Poppenbüttel. Für alle Hamburger Jugend Talente ist das beim momentanen Stand aber auch hoch genug. Bei den Damen konnte in der letzten Saison ein großartiger Erfolg erzielt werden, denn die 1. Mannschaft vom Sc Poppenbüttel steigt in die 3. Bundesliga auf. Ein wichtiger und notwendiger Schritt, damit dem selbstgezüchteten Talent Anna Tietgens auch auf lange Sicht eine Perspektive geboten werden kann.

Das Limit

Dennoch ist das Ganze mit fadem Beigeschmack zu betrachten. Denn auf lange Sicht können Hamburger Talente den Weg nach oben nur begrenzt in dem eigenen Bundesland bestreiten. Dies muss aber gegeben sein, damit Hamburg konkurrenzfähig wird und vielleicht auch gute andere Jugendspieler nach Hamburg wechseln. Denn ein Spieler oder eine Spielerin kann noch so talentiert sein – wenn die Talente eine lange Zeit „nur“ Regionalliga spielen, müssen sie irgendwann wechseln. Ansonsten wird es gegen gegen einen 1., 2. oder 3. Bundesliga Spieler schwer.

Halt Stopp

3. Bundesliga könnte man spielen – zwar nicht für Hamburg, aber für Schleswig-Holstein. Denn mit dem SV Siek und mit dem TSV Schwarzenbek gibt es im Nachbarbundesland die Möglichkeit, in der untersten der drei Bundesligen an den Start zu gehen. Ich bin trotzdem der Meinung: Wenn Hamburg nach vorne kommen will, sind die ganz großen Bühnen gefordert. Das spornt die Kids an und auch andere Jugendabteilungen würden enorm davon profitieren, wenn man mal mit denen zu einer der ganz großen Bühnen gehen könnte. Aber auch hier: Der TSV Sasel und der Sc Poppenbüttel spielen Regionalliga und so schlecht ist das Niveau da auch nicht, als dass die ein oder andere Jugendabteilung mal einen Ausflug in den Petunienweg oder nach Poppenbüttel machen könnte. Aber: zweite Bundesliga wäre nochmal eine andere Kragenweite.

Trainingszentren braucht das Land!

Auch die hiesige Förderung von Talenten findet in anderen Bundesländern in einen ganz anderen Maßstab statt, als es in Hamburg der Fall ist. Nordrhein-Westfalen hat zum Beispiel schon seit vielen Jahren die Borussia TT-Schule in Düsseldorf. Diese bietet ein exzellentes Angebot für alle Talente in Deutschland. Der große Vorteil für die Talente in Nordrhein-Westfalen: Sie müssen nicht das Bundesland verlassen und können auch für einen Verein dieses Bundeslands spielen, bevorzugt natürlich Borussia Düsseldorf. Diesen Vorteil hat  der bayrische Tischtennisbund ebenfalls erkannt und strukturiert dementsprechend um.

Neues Tischtenniszentrum!?

2020 soll ein eigenes TT-Zentrum in München errichtet werden, welches den Leistungssport in Bayern voranbringen soll. Ganz zu schweigen, von den ganzen Projekten, welche nebenbei auch noch an vielen Schulen in den jeweiligen Bundesländern ganzjährig laufen. In Hamburg fehlt definitiv so ein Trainingszentrum. Aber es gibt Hoffnung! Es gibt seit diesem Jahr eine positive Strukturveränderung, denn Oliver Alke hat sich dazu entschlossen, das Amt des Verbandstrainers aufzugeben und sich ganz der Stiftung Compass zu widmen.

Die Compass-Stiftung
Die Zukunft des Leistungssports in Hamburg

Hierbei handelt es sich, um eine Kooperation zwischen Hamburg dem DTTB und sogar Schweden, um Talente an die internationale Spitze zu bringen. Besonderes Augenmerk dürfte dabei auf das Talent Lleyton Ullmann (TSV Sasel) liegen. Von unserem derzeitigen Hamburger Meister der Jugend dürften wir nämlich noch einiges freudig erwarten. Praktisch ist hierbei, dass Oliver Alke als langjähriger Verbandskadertrainer natürlich kein Unbekannter ist. Er kennt alle Talente aus Hamburg natürlich persönlich und das hilft ungemein. Aber auch viele andere kleine Kids werden sehr früh im Einzeltraining optimal geschult und trainiert. Einige von unseren Tischtennistrainern im Trainerteam der TT-Schule unterstützen ebenfalls Compass und den Weg, Kinder so früh es geht optimal zu begleiten.

Let´s go!

Momentan zeigt Hamburg zu viele Defizite in der Infrastruktur, sodass es nicht verwundert, dass es nicht ebenbürtig ist. Doch man kann zuversichtlich sein, dass in Zukunft Hamburg eine relevantere Rolle bei den Wettkämpfen um die Krone der besten Bundesländer spielen kann. Nicht zuletzt hat Leon Abich mit seinem Deutschen Meistertitel im Jugendbereich für Furore gesorgt. Auch Lleyton wird höchstwahrscheinlich bei den Deutschen Meisterschaften in Zukunft ein Wörtchen mitzureden haben. Insgesamt muss hierfür aber unbedingt die Bedingungen für Spitzenspieler geebnet werden.

Finanzen

Wichtig hierfür sind natürlich aber auch die gewissen finanziellen Unterstützungen. Wie wäre es eigentlich mit Patenschaften im TT-Bereich für Einzeltrainings beispielsweise? Eigentlich könnte jeder von uns etwas für den Sport tun. Und das ist auch mein Appell an alle: Unterstützt gerne die Hamburger Jugendarbeit und den Spitzensport. Compass macht es vor, aber vielleicht können wir als Tischtennisspieler ja irgendwie nachziehen und dafür sorgen, dass Hamburg in Zukunft zu den anderen großen Bundesländern aufschließt. Was meint ihr dazu?

Cedric Thornton