Das Aufschlag-Mysterium

Wer kennt das nicht? Man kommt in die Halle, sieht seinen Gegner beim Einspielen, freut sich auf die nächsten TTR-Punkte und dann macht der Kerl im Spiel doch einfach so schwierig zu retournierende Aufschläge, dass man sich nicht nur einen besseren Rückschlag wünscht, sondern auch genau so einen Aufschlag.

Apropos Rückschlag: Im kommenden Artikel geht es genau darum, doch nun erst einmal zu dem Mysterium, dessen Geheimnisse es dringend zu lüften gilt!

Die enorme Wichtigkeit guter Aufschläge

Die Vorteile eines guten Aufschlags sind immens: Ohne den Einfluss deines Gegners kannst du den Ballwechsel in deine gewünschte Richtung lenken. Somit hast du die Möglichkeit, deine Stärken auszuspielen und deine Schwächen zu kaschieren. Es ist vielleicht einer der wichtigsten Schläge im Tischtennis, wenn nicht sogar der wichtigste Schlag.
Daher arbeiten wir in der Tischtennis-Schule auch immer viel im Aufschlag- und Rückschlag-Bereich, da sich das Spiel meistens genau dort entscheidet.
Damit du bei deinem nächsten Punktspiel glänzen kannst, beachte folgende vier Punkte und nun bitte aufgepasst – denn jetzt kommt’s!

Punkt 1: Die Griffhaltung beim Aufschlag

Beim Vorhandaufschlag rate ich dir dringend, den Schläger nicht wie im Spiel in der Shakehand-Schlägerhaltung zu lassen.
Die Beweglichkeit des Handgelenks und somit der Beschleunigungsweg ist hier eingeschränkt.
Tipp: Forme mit der Hand eine Pistole und greif mit dem Daumen oberhalb und dem Zeigefinger unterhalb zu. Somit erhält dein Handgelenk direkt mehr Bewegungsfreiheit. Hält man seinen Schläger so, kann nämlich der Schlägergriff über den Unterarm entweichen. Dadurch steht deiner Handgelenksbeschleunigung im wahrsten Sinne des Wortes nichts mehr im Weg.
Diese Griffhaltung beim Aufschlag kann sehr variabel gestaltet werden. Der Zeigefinger kann dann wahlweise mehr auf die Mitte des Schlägerblattes oder eher am Rand gelegt werden. Manchen Spielern hilft es zudem, den Mittelfinger als Unterstützung mit ans Holz zu nehmen. Wichtig dabei: ihr müsst natürlich gut wieder umgreifen können für den nächsten Ball.
Kleine Randnotiz: Dies gilt nicht beim Tomahawk-Aufschlag und Rückhand-Aufschlag.
Wenn du jetzt also richtig greifst, kommen hier die nächsten essentiellen Tipps und Übungen, damit du mehr Aufschlagvariationen, Seitschnitt und Unterschnitt entwickeln kannst.

Punkt 2: Der Tischtennisball muss mit maximaler Beschleunigung getroffen werden

Viele Spieler kommen zu mir und sagen: Wieso kriegst du so viel Schnitt in deinen Zweite-Phase-Aufschlag und ich nicht?
Ganz einfach: Du musst zuallererst deinen Schläger am Balltreffpunkt maximal beschleunigen.
Damit dir das gelingt, musst du vor dem Balltreffpunkt dein Handgelenk und deinen Unterarm schon stark beschleunigen.
Eine sehr häufige Fehlerquelle ist nämlich folgende:

Du willst den Ball auf den Tisch spielen

Kurios und Quatsch? Weit gefehlt! Es ist zwar richtig, dass ihr bei 9:9 nicht wie ein wilder Sensenmann euer Handgelenk malträtieren sollt, weil hier das Risiko eines Fehlaufschlags einfach zu hoch ist. Aber im Vereinstraining oder bei uns in der Tischtennis-Schule muss das unbedingt geschehen. Da wird nämlich leider meistens genau das Gleiche wie im Wettkampf gemacht:
Es wird auf Platzierung, Höhe und vieles Weiteres geachtet, aber das erst einmal richtig Schnitt in den Zelluloid bzw. Plastikball gebracht werden muss, vergessen leider viele.

Also: Erstmal an der Schnittentwicklung arbeiten! Gerade in den unteren Spielklassen ist es enorm wichtig, wenn euer Gegner „normale“ Beläge spielt, die schnittempfindlich sind.

Methode für Unterschnitt

Geh von dem Tisch weg und versuche den Ball über Bande zu spielen, sodass der Ball darunter schnell wieder zu dir kommt.

Methode für Seitschnitt

Geh drei Schritte zurück, stell dich in Aufschlagposition und spiele den Ball relativ gerade am Tisch vorbei. Ziel hierbei: Er soll hinter dem Tisch schnell nach links oder rechts abdrehen.
Die Übung kannst du sowohl mit Vorhand als auch mit Rückhand machen.
Damit das gut klappt, kommt der nächste, genauso wichtige Trick und hier machen leider ganz viele Spieler einen grausamen Fehler, der danach erläutert wird.

Punkt 3: Der Ball muss minimal und damit hauchdünn getroffen werden

Lasst es mich nochmal wiederholen:

H a u c h d ü n n
Gute Aufschläger haben meistens mindestens einen Aufschlag, in dem extrem viel Schnitt drin ist. Viel Schnitt kommt nicht nur durch eine ganz schnelle Bewegung durch das Handgelenk bzw. den Unterarm, sondern eben auch durch einen ganz dünn getroffenen Ball. Ich erlebe es in der Tischtennis-Schule häufig, dass die Spieler den Ball viel zu zentral treffen und dadurch keine richtige Schnittentwicklung hinbekommen.

Und das ist schwer, weil wir auf der einen Seite schnell und explosiv sein wollen und auf der anderen Seite den Ball nur zu streicheln versuchen. Das muss geübt, geübt und nochmal geübt werden! Egal, ob du einen Rückhandaufschlag wie Dimitrij Ovtcharov, einen Aufschlag wie Tomokazu Harimoto oder einen 2. Phase-Aufschlag wie Timo Boll trainieren willst:

Tipp 1

Versucht den Schläger dabei nicht unter den Tisch fallen zu lassen

Tipp 2

Lass den Schläger nicht locker ausschwingen, sondern versuche, die Bewegung kurz nach dem Balltreffpunkt zu stoppen – somit bekommt ihr extra viel Schnitt in euren Aufschlag.

Probleme beim Aufschlag

Das Hauptproblem ist hierbei häufig, dass viele Spieler den Ball zu zentral treffen und der Ball viel zu viel Tempo bekommt.
Also Leute: Mehr Beschleunigung und Explosion als normal bitte, dabei hauchzarte Berührung des Balles, ein schnelles Stoppen der Bewegung nach dem Balltreffpunkt und ihr habt eure Vereinskameraden, Freunde oder Gegner da, wo ihr sie haben wollt: am Rande der Verzweiflung.
Denn seien wir mal ehrlich, wie genugtuend sind bitte Sätze wie „Der kann doch nur Aufschläge“?
Letzter und nicht zu vergessener Teil ist der:

Punkt 4: Der Ball muss recht dicht am Körper getroffen werden

Wenn ihr den Ball zu weit vom Körper entfernt trefft, habt ihr für die oben genannten Punkte einfach nicht mehr die nötige Kontrolle und das Gefühl, um eure Aufschläge so gefährlich zu bekommen, dass sie eure Gegner zur Verzweiflung bringen können.
Insgesamt ist natürlich anzumerken, dass auch leere Aufschläge und die Platzierung, Ballwurfhöhe etc. sehr wichtig sind.
Aber mal ehrlich: Wie gut ist bitte ein leerer Aufschlag, wenn der vorherige so viel Schnitt hatte, dass der Ball buchstäblich geglüht hat?
Trainiert also schön fleißig eure Aufschläge und schnibbelt, was das Zeug hält! Und denkt immer daran:
Umgreifen, maximal und explosiv Beschleunigen, dünn und dicht am Körper treffen… Umgreifen, maximal und explosiv Beschleunigen, dünn…

Wir sehen uns an den Tischen – bitte mit den gefährlichsten Aufschlägen, die ihr je ausgepackt habt!

Euer Trainer,

Simon